Beethoven, Götterfunke selbst, dessen Verehrung nicht weniger als einen Platz auf dem Olymp der Mythologie und einen Thron auf Erden bedarf. Zwischen Erde und Himmel, zwischen irdischem Antlitz und himmlischer Verklärung, zwischen Kult und Kitsch, zwischen Genie und Wahnsinn, in einer Vielschichtigkeit aus Material und Bedeutung, erhebt sich der Koloss aus feinsten Werkstoffen in übermenschliche Höhe. Pyrenäenmarmor, Alabaster, Bronze, Elfenbein, griechischer Marmor, Achate, Jaspis, Perlmutt und Goldfolie. Vom Sockel bis zum Scheitel, vom Thron zum Adler, der erwartungsvoll auf dem Felsvorsprung zu Füßen des Meisters sitzt, vom Groben bis ins feinste Detail belebt Max Klinger den Triumph eines künstlerischen Lebens mit den Materialien, die ihm zur Ehre gereichen und zu einem Denkmal für die Ewigkeit. Zwischen der ersten Idee für dieses Werk und seiner Umsetzung liegen bald zwanzig Jahre im Leben des Künstlers, zwischen seiner Studienzeit in Paris der Mitte der 1880 Jahre mit ersten Entwürfen und Gipsmodellen und seinem Aufenthalt in Leipzig, wo er die Skulptur 1902 fertigstellt.

Ihr erster Ausstellungsort wird allerdings nicht hier sein, sondern eine große Beethoven-Ausstellung in der Wiener Secession. Im selben Jahr ist sie dort das zentrale Objekt in einer Inszenierung des Raumes, umgeben von weiteren Arbeiten, etwa Gustav Klimts Beethovenfries, einer Allegorie der Sehnsucht des Menschen nach dem Glück, Richard Wagners Interpretation der IX. Sinfonie folgend. Alles in dieser Schau ist als Gesamtkunstwerk, als ein Zusammenspiel der künstlerischen Professionen, als Ehrerbietung an das Künstlergenie, angelegt. Im Raum wirken Architektur, Malerei und Skulptur als gleichberechtigtes Miteinander, erschliessen so neue Blicke und Zusammenhänge, und lösen starre Grenzen zwischen den Künsten auf. Die Beethoven-Ausstellung wird nicht nur ein großer Publikumserfolg, sie befeuert, bei allen Kontroversen bis hin zum Spott, auch den Ruhm ihrer Teilnehmer, vor allem Klimts und Klingers. Für die Skulptur beginnt im Anschluss daran allerdings zunächst eine Reise ins Ungewisse, über Düsseldorf, Berlin und ins Atelier des Künstlers nach Leipzig, die vor allem zur Suche nach einem endgültiger Aufstellungsraum wird. Erst 1906, und nachdem sich Wien und Leipzig in einem Bietergefecht intensiv um das Werk bemüht haben, wird sie schließlich in einem eigens errichteten Anbau an das Museum der bildenden Künste in Leipzig, das die Arbeit vom Künstler für die Kunstsammlung der Stadt und des Hauses erwerben konnte, der Öffentlichkeit wieder zugänglich gemacht. Die Zeiten haben Stadt und Gebäude verändert. Über alle Zeiten hinweg, unverändert monumental und seltsam entrückt, thront Beethoven in überbordender Feierlichkeit und zur Anbetung erhöht bis heute hier.